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laStaempfli
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Meinungen werden gekauft, Klatscher entscheiden über die Qualität eines Theaterstückes, Medien dienen nicht der Wahrheit, sondern dem jeweiligen Machtgefüge: Honoré de Balzacs Illusions perdues ist eine der trefflichen Satiren zu Medien und fast zweihundert Jahre danach, erschreckend aktuell. Auf Amazon Prime gibt es ein opulentes Sittengemälde mit aktuellen Bezügen: Ein Film, der im Dezember 2022 in den Pandemiewirren leider etwas unterging, den laStaempfli aber unbedingt empfiehlt und deshalb einen eigenen Beitrag dazu verfasst hat. Die SZ vom 24.12.2022 meint zum Film: „Nahm die Pariser Welt um 1820 die Diskurshölle der Gegenwart schon vorweg? In der Honoré de Balzac-Verfilmung „Verlorene Illusionen“ sieht es schwer danach aus.“ Zitat aus dem Film: „Der Beruf des Kritikers kann manchmal so einfach sein. Vor allem, wenn es darum geht, Autoren und ihre Werke zu vernichten. Denn der Kritiker weiß, dass er alles in sein Gegenteil verkehren kann. Ist er von einem Werk berührt, schreibt er, es sei sentimental. Ist das Buch in einem klassischen, einfachen Stil geschrieben, ist es zu konventionell.“ „Es gibt Kritiker, die niemals einen Stein aus dem Weg räumen, sondern nur jenen nachwerfen, die bauen. laStaempfli ist erstaunt darüber, dass Balzac nicht ständig neu auf deutschen Bühnen inszeniert wird: Ob er wohl zu kritisch umgeht mit der Selbstzufriedenheit von Medien- und Kulturschaffenden?

Honoré de Balzac und die zeitlose Medienkritik in Verlorene Illusionen

Honoré de Balzac (1799–1850) ist einer der großen Chronisten der modernen Gesellschaft. Sein monumentales Werk Die menschliche Komödie (La Comédie humaine) umfasst mehr als 90 Romane und Erzählungen, in denen er mit scharfem Blick die Mechanismen von Macht, Geld, Intrigen und menschlichen Schwächen analysiert. Unter diesen Werken sticht Verlorene Illusionen (Illusions perdues) als eine besonders treffende Satire über den Journalismus und die korrumpierende Wirkung des Kapitals hervor. Der Roman, der zwischen 1837 und 1843 entstand, ist eine der präzisesten und bissigsten Darstellungen des Medienbetriebs – und wirkt auch fast 200 Jahre nach seiner Entstehung erschreckend aktuell.

Warum Balzac genial ist

Balzac war ein unermüdlicher Beobachter seiner Zeit. Er besaß ein enzyklopädisches Wissen über die französische Gesellschaft des 19. Jahrhunderts, das er in seinem literarischen Werk mit fast wissenschaftlicher Akribie dokumentierte. Seine Figuren sind oft Archetypen von gesellschaftlichen Strukturen und Machtverhältnissen – Banker, Journalisten, Politiker, Industrielle, Künstler – und doch von einer psychologischen Tiefe, die sie lebendig und zeitlos macht. Seine Beschreibungen der Presse als korrumpierbar, manipulativ und von finanziellen Interessen geleitet, sind von einer Schärfe, die heutige Medienkritik oft nicht erreicht.

Meinungen werden gekauft und manche Inhalte erfunden: Xavier Giannolis Verfilmung des Balzac-Romans „Verlorene Illusionen“ zeigt das Zeitungswesen vor 200 Jahren. Schon damals ging es um so etwas wie Klicks. Ein Sittengemälde mit aktuellen Bezügen. Auf Amazon Prime erhältlich.

Bild von Naecronaut und laStaempfli dankt für die Kunst.